Tuesday, August 17, 2010

Transsib Teil 2

















Nach 2 Tagen loesten sich die dicken Rauchwolken der Waldbraende langsam auf. Hier und dort waren noch ein paar verkohlte Grasstellen zu sichten, saftige, gruene Heiden mit bunten, um summige Bienen buhlende Blueten und dichte Kiefernwaelder dominierten aber die Landschaft. Die pampige Hitze nahm ab, die Luft wurde frischer und das kohlige Grau, das den Himmel verdunkelt hatte, wandelte sich in ein makelloses Blau um.
Bald ratterten wir ueber die Grenze der weiten sibierieschen Taiga.
In sich windenen Fluessen stakten halbnackte Opas ihre selbstgebauten Flosse durch das Wasser, alte aber vor Kraft protzende Babusckas luden dicke Holzbuendel auf ihren krummen Ruecken und zogen ueber kleine Acker.
Naechtliche Stopps auf riesigen Betriebsbahnhoefen liessen einen wach im kleinem Hochbett liegen bleiben und geisterhaften Durchsagen lauschen, russische Frauenstimmen, die durch meterhohe, im Nebel tuermende Lautsprecher durch das Dunkel droehnten.

In Irkutsk angekommen, half mir ein polnischer Backpacker beim Ticketkauf. Trotz seiner Russischkenntnisse dauerte es fast eine Stunde, den richtigen Schalter und letztlich ein Ticket zur mongolischen Grenze zu erlangen. Statt direkt nach Ulaan Baatar zu fahren, entschied ich mich fuer die billigere Variante, ueber die Grenze zu laufen und dann auf der mongolischen Seite angekommen, einen Zug Richtung Hauptstadt zu erwischen.
Zusammen mit einem Maedchen aus Amsterdam und einem Spanier aus dem Zug, schlenderte ich durch Gassen alter Holzblockhuetten, deren Fundamente sich schon metertief unter Strassenlevel gegraben hatten, belud meinen Magen und Rucksack mit allerlei leckerem russischem Gebaeck aus der Markthalle und verbrachte eine Nacht in der sibierischen Provinzhauptstadt. (Die Hollaenderin traf ich spaeter noch zwei mal in der Mongolei wieder. Jedes Mal hatten wir durch Zufall im selben Hotel das selbe Zimmer gebucht!)

Abends nahm mich ein Zug huckepack und schleifte mich die Nacht durch Richtung Grenze.
Frueh Morgens wachte ich auf, blickte durch verkratzte Fenster und nahm statt dichter Kiefernwaelder, weite, mit goldgelben Steppengras bedeckte Huegel war. Links von uns floss die Selenga an uns vorbei, an deren Ufern hier und dort kleine Zelte im Wind flatterten.
So weit waren wir nun schon von der russischen Hauptstadt entfernt, dass hier die Doerfer keine eigenen Namen, sondern nur noch die Entfernung zu Moskau in Kilometer als Ortsschild trugen. So las man auf Schildern der Bahnhoefe Ortsnamen wie "2568km" oder "2614km". Hausnummern wurden in Kommerstellen angegeben.

Ich erreichte die Grenzstadt Kyakhta, durfte dort aber feststellen, dass die Grenze noch fast 50km entfernt lag. Mit einer Russischen Familie (eine Mutter, die ihre Tochter und beiden Enkelkinder - ebenfalls auf dem Weg nach UB - zur Grenze begleiten wollte) teilte ich mir ein Taxi Richtung Grenzuebergang. Bald war ich froh, den langen Weg ueber alte Betonstrassen nicht zu Fuss gegangen zu sein. Unterwegs rollten an uns mehrere Panzer vorbei, wir fuhren durch ein tiefes, vom russischem militaer kontrolliertes Gebiet. Wachtuerme ueberblickten die Strasse und Waelder neben uns. Die selben Wachtuerme, die Clemens Forell und besonders seinem Hund zum Verhaengnis wurden. Auch ihm war es unmoeglich gewesen, zu Fuss durch diese Grenzanlage zu gelangen, um in die Mongolei zu fluechten. Da fuehlte ich mich in dem altem Lada, mit dem im Tempo hundert durch engen Waldkurven preschenden russichem Taxifahrer seltsamerweise irgendwie sicherer.
An der Grenze angelangt, kam das naechste Problem. der Uebergang durfte nur in einem Fahrzeug ueberquert werden. Es dauerte eine Weile, bis fuer die Familie und mich zwei Laster aufgetrieben werden konnten, die uns fuer ein wenig Schmiergeld ueber die Grenze bringen wuerden.
Beim Ueberqueren der Grenze verloren wir uns aus den Augen. Die vielen Kontrollen (unsere Laster wurden einzeln mit einem riesigen, fahrbaren Roentgengeraet gescannt und ich musste nicht nur meinen Backpack voll auspacken, sondern vor den Behoerden als Probe oder vielleicht auch nur zu deren Belustigung auf meiner kleinen, vietnamesischen Bambusfloete spielen) machten ein Zusammenbleiben unmoeglich. Ich hoffe nur, die Mutter und die beiden Kleinen sind gut in UB angekommen.

Einige Stunden spaeter sass ich und zwei russische Damen auf Shoppingtour in einem koreanischem Mittelklassewagen auf mongolischer Seite. Im Taxi ging es Richtung Suhbaatar, wo ich mein Ticket nach Ulaan Baatar erhalten sollte. Wir zischten ueber meine ersten Meter mongolischer Steppe. In der Ferne sah ich Hirten auf Pferden ueber die Landschaft flitzen, ihre kleinen Schafherden in kompakten Buendeln haltend, wie auf dem Rasen liegengelassene Popkornhaufen. (dem Ami neben mir im Internetcafe wurde gerade vor seinen Augen sein Portmonee geklaut und ich hab noch kein Abendessen gehabt. Vielleicht deshalb dieser sinnfreie Vergleich)
Noch am selben Abend, sass ich im Zug Richtung mongolischer Hauptstadt, eingezwaengt in der Openclass zwischen einem dutzend schnarchender Mongolen und Grossstadtkindern, die arme Kaefer zerquetschten und danach in schrilles Lachen verfielen - Wir Menschen sind wahrscheinlich die einzigen Lebewesen in diesem Universum, die anfangen zu lachen, wenn sie anderen ihr Leben nehmen.. In solchen Gedanken verstrickt und damit befasst, meine Instant Nudelsuppe in meiner 50 cm niedrigen Schlafkapsel zu schluerfen - praktisch nicht machbar ohne sich zuzusauen - tuckerten wir gen Sueden.
Von den Selben Kindern sollte ich am naechsten Morgen geweckt werden, um nicht meine Station, Hauptbahnhof Ulaan Baatar, zu verschlafen.

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