Wednesday, August 18, 2010

Ulaan Baatar, Buhug River Workcamp




































Als ich geweckt wurde, schlirfte unser Zug gerade durch die Vorstadt Ulaan Baatars.
Stadtbild: Randviertel Kathmandu's nur sovietischer, mit grossen, unnuetzen Industriestahl-Kollosen, Saurierskeletten aus der Gobiwueste gleichend, vor sich hinrostend, wie vergessene Riesengiesskannen auf Friedhoefen. Daneben Ger's in ranzigen Holzzaunparzellen, die neben dem Industriepark eher wie Chemitanks wirkten, als traditionelle, mongolische Nomadenzelte.
Noch vor sechs Uhr morgens stieg ich aus dem Zug, neun Tage nach Reisebeginn in Moskau.

Das Workcamp sollte erst am naechsten Tag beginnen, also streifte ich ziellos durch die noch menschenleeren Strassen dieser seltsamen Mischung aus asiatischer Grossstadtmetropole und Riesen-Ger-Slum. Gigantische Glaspalaeste und Megaeinkaufszentren suhlen sich im Sand unfertiger Gehwege und Strassenzuege voller Tierknochen. Das Konsum-MarsInvader Ufo ist auch hier gelandet, und assimilierte jeden Buerger zum hemmungslosen Shoppingborg.
Unbewusst strandete ich am Eingang des tibetischen Klosters der Stadt, Im Tempelpark doesend liess ich es langsam Mittag werden, suchte mir ein Zimmer und wartete auf den Beginn des Workcamps.
Es follgten zwei Wochen Arbeit in herrlicher mongolischer Countryside, einer Landschaft, die uns umgab wie ein Kessel warmer Milch mit Honig. Karotten und Weisskohl rupfend, liessen wir uns von der Sonne roesten und vom Eiswasser des 100m Tiefbrunnens wieder erfrischen. Es gab nichts, ausser unsere Gers zum schlafen, unkrautbedeckte Gemuesefelder, unendlich weite Steppenhuegel, Sonnenaufgaenge, die sternenklaren Naechten folgten, mit Monden, groesser und weisser als italienische Spaghettiteller. Hier und dort blutete ein kopfueberhaengendes Schaf im Schatten eines Holzdaches aus, messerschaerfende Hirten mit roten Wangen sassen vor ihren Zelten und warteten darauf, mit dem Gerben der Faelle zu beginnen.

Energiegetankt kehrten wir in die staubige Hauptstadt zurueck. Hier nahm ich Abschied von ein paar sehr Lieb gewonnenen Menschen, wer weiss, wann man sich im Apfelstrudel der Zeit wieder ueber den Weg laufen wird.

Tuesday, August 17, 2010

Transsib Teil 2

















Nach 2 Tagen loesten sich die dicken Rauchwolken der Waldbraende langsam auf. Hier und dort waren noch ein paar verkohlte Grasstellen zu sichten, saftige, gruene Heiden mit bunten, um summige Bienen buhlende Blueten und dichte Kiefernwaelder dominierten aber die Landschaft. Die pampige Hitze nahm ab, die Luft wurde frischer und das kohlige Grau, das den Himmel verdunkelt hatte, wandelte sich in ein makelloses Blau um.
Bald ratterten wir ueber die Grenze der weiten sibierieschen Taiga.
In sich windenen Fluessen stakten halbnackte Opas ihre selbstgebauten Flosse durch das Wasser, alte aber vor Kraft protzende Babusckas luden dicke Holzbuendel auf ihren krummen Ruecken und zogen ueber kleine Acker.
Naechtliche Stopps auf riesigen Betriebsbahnhoefen liessen einen wach im kleinem Hochbett liegen bleiben und geisterhaften Durchsagen lauschen, russische Frauenstimmen, die durch meterhohe, im Nebel tuermende Lautsprecher durch das Dunkel droehnten.

In Irkutsk angekommen, half mir ein polnischer Backpacker beim Ticketkauf. Trotz seiner Russischkenntnisse dauerte es fast eine Stunde, den richtigen Schalter und letztlich ein Ticket zur mongolischen Grenze zu erlangen. Statt direkt nach Ulaan Baatar zu fahren, entschied ich mich fuer die billigere Variante, ueber die Grenze zu laufen und dann auf der mongolischen Seite angekommen, einen Zug Richtung Hauptstadt zu erwischen.
Zusammen mit einem Maedchen aus Amsterdam und einem Spanier aus dem Zug, schlenderte ich durch Gassen alter Holzblockhuetten, deren Fundamente sich schon metertief unter Strassenlevel gegraben hatten, belud meinen Magen und Rucksack mit allerlei leckerem russischem Gebaeck aus der Markthalle und verbrachte eine Nacht in der sibierischen Provinzhauptstadt. (Die Hollaenderin traf ich spaeter noch zwei mal in der Mongolei wieder. Jedes Mal hatten wir durch Zufall im selben Hotel das selbe Zimmer gebucht!)

Abends nahm mich ein Zug huckepack und schleifte mich die Nacht durch Richtung Grenze.
Frueh Morgens wachte ich auf, blickte durch verkratzte Fenster und nahm statt dichter Kiefernwaelder, weite, mit goldgelben Steppengras bedeckte Huegel war. Links von uns floss die Selenga an uns vorbei, an deren Ufern hier und dort kleine Zelte im Wind flatterten.
So weit waren wir nun schon von der russischen Hauptstadt entfernt, dass hier die Doerfer keine eigenen Namen, sondern nur noch die Entfernung zu Moskau in Kilometer als Ortsschild trugen. So las man auf Schildern der Bahnhoefe Ortsnamen wie "2568km" oder "2614km". Hausnummern wurden in Kommerstellen angegeben.

Ich erreichte die Grenzstadt Kyakhta, durfte dort aber feststellen, dass die Grenze noch fast 50km entfernt lag. Mit einer Russischen Familie (eine Mutter, die ihre Tochter und beiden Enkelkinder - ebenfalls auf dem Weg nach UB - zur Grenze begleiten wollte) teilte ich mir ein Taxi Richtung Grenzuebergang. Bald war ich froh, den langen Weg ueber alte Betonstrassen nicht zu Fuss gegangen zu sein. Unterwegs rollten an uns mehrere Panzer vorbei, wir fuhren durch ein tiefes, vom russischem militaer kontrolliertes Gebiet. Wachtuerme ueberblickten die Strasse und Waelder neben uns. Die selben Wachtuerme, die Clemens Forell und besonders seinem Hund zum Verhaengnis wurden. Auch ihm war es unmoeglich gewesen, zu Fuss durch diese Grenzanlage zu gelangen, um in die Mongolei zu fluechten. Da fuehlte ich mich in dem altem Lada, mit dem im Tempo hundert durch engen Waldkurven preschenden russichem Taxifahrer seltsamerweise irgendwie sicherer.
An der Grenze angelangt, kam das naechste Problem. der Uebergang durfte nur in einem Fahrzeug ueberquert werden. Es dauerte eine Weile, bis fuer die Familie und mich zwei Laster aufgetrieben werden konnten, die uns fuer ein wenig Schmiergeld ueber die Grenze bringen wuerden.
Beim Ueberqueren der Grenze verloren wir uns aus den Augen. Die vielen Kontrollen (unsere Laster wurden einzeln mit einem riesigen, fahrbaren Roentgengeraet gescannt und ich musste nicht nur meinen Backpack voll auspacken, sondern vor den Behoerden als Probe oder vielleicht auch nur zu deren Belustigung auf meiner kleinen, vietnamesischen Bambusfloete spielen) machten ein Zusammenbleiben unmoeglich. Ich hoffe nur, die Mutter und die beiden Kleinen sind gut in UB angekommen.

Einige Stunden spaeter sass ich und zwei russische Damen auf Shoppingtour in einem koreanischem Mittelklassewagen auf mongolischer Seite. Im Taxi ging es Richtung Suhbaatar, wo ich mein Ticket nach Ulaan Baatar erhalten sollte. Wir zischten ueber meine ersten Meter mongolischer Steppe. In der Ferne sah ich Hirten auf Pferden ueber die Landschaft flitzen, ihre kleinen Schafherden in kompakten Buendeln haltend, wie auf dem Rasen liegengelassene Popkornhaufen. (dem Ami neben mir im Internetcafe wurde gerade vor seinen Augen sein Portmonee geklaut und ich hab noch kein Abendessen gehabt. Vielleicht deshalb dieser sinnfreie Vergleich)
Noch am selben Abend, sass ich im Zug Richtung mongolischer Hauptstadt, eingezwaengt in der Openclass zwischen einem dutzend schnarchender Mongolen und Grossstadtkindern, die arme Kaefer zerquetschten und danach in schrilles Lachen verfielen - Wir Menschen sind wahrscheinlich die einzigen Lebewesen in diesem Universum, die anfangen zu lachen, wenn sie anderen ihr Leben nehmen.. In solchen Gedanken verstrickt und damit befasst, meine Instant Nudelsuppe in meiner 50 cm niedrigen Schlafkapsel zu schluerfen - praktisch nicht machbar ohne sich zuzusauen - tuckerten wir gen Sueden.
Von den Selben Kindern sollte ich am naechsten Morgen geweckt werden, um nicht meine Station, Hauptbahnhof Ulaan Baatar, zu verschlafen.

Wednesday, August 11, 2010

Transsib Moskau - Ulaan Baatar












Viel zu spaet wachte ich am naechsten Morgen auf, peilte ein paar Ubahnstationen an, tappte durch dunkle Untergrundpassagen, gallopierte durch lebhafte Strassen und fand letztendlich - mehr durch Zufall - den roten Platz vor mir. Kurze Kremelluft geschnuppert, dann ab zum Bahnhof, von dem mein Zug aus abfahren sollte.
Als ich ankam, war der Bahnsteig schon voll, das Gleis aber noch leer. Fuer unterwegs, kaufte ich mir ein Grillhaenchen in duennem Fladenbrot eingewickelt, Weintrauben und Brot. Dann fuhr der alte Herr aus Eisen ein, Tickets und Passport kontrolliert und rein in die gute Stube fuer die naechsten 5 Tage. Als erstes stach mir ein alter zinnerner Wasserkessel im Eingangsbereich ins Auge, welcher mir spaeter jeden Tag freundlich sein heisses Teewasser spendieren wuerde.
Meine vierer-Kabine teilte ich mir mit einer alten Vietnamesin, einer kleinen Russin und ihrem wortkargem Vater. Aus dem Fenster schauend oder lesend, liessen wir gemeinsam erlebnisarm die lange Fahrtzeit verstreichen. Unsere Kabine schien in einem Geschehnissvakuum zu stecken und so zog es mich oft auf die Gaenge und andere Waagons des Zuges - Szenen reinsten Trainblues's.
Wenn diebische Fahrgaeste heimlich Vodkaflaschen aus dem Rollwaagen zogen, waehrend die dicke Zugverkaeuferin in ihr Handy schrie, wenn andere Fahrgaeste die Kloschluessel klauten (bevor wir in einen Bahnhof einfuhren wurde jedes mal das Klo abgesperrt) und sich daraus Riesendramen mit viel Aerger und Pruegel vom weiblichen und unverzeilichen Zugpersonal ergaben, wenn der Franzose zwei Kabinen weiter seine zimmergenossen mit Blaehungen quaelte. Alles kam mir vor, wie ein einziger (5 Tage langer) Jim Jarmusch Film.

Nachts rollte der Zug durch die Waelder, sich in ein riesiges gluehendes Insekt verwandelnd, und entlockte den Gleisen die irresten Rythmen, indem es auf die verrosteten Schienen einhaemmerte, wie ein Jazzdrummer in Extase.

Unsere Wegnahrung erhielten wir von den vielen Verkaeuferinnen, die mit ihren selbstgeerntetem und selbstgebackenem Gemuese und Kuchen, Fischen und Beeren, Zigaretten und Eiscreme auf langen Bahnsteigen schon auf uns warteten.
Und langsam aber sicher veraenderte sich die an uns vorbeizischende Landschaft.. continued